Ganz herzliche Gratulation vom Radbar Team
Als mir Silvio nach gut 15h Rennzeit und 14km vor dem Ziel zurief, dass ich mehr als 30 Minuten Vorsprung auf meine Verfolgerin hatte, begann ich langsam zu realisieren, was hier gerade abging. Ich war kurz davor, den 19. und letzten Gigathlon als Siegerin zu finishen. Ich war mir bis zu diesem Zeitpunkt sicher, dass ich die Führung wohl noch abgeben müsste, ist doch die Schlussdisziplin Laufen nicht meine Stärke. Und ich wusste, dass die Verfolgerin stark läuft. Doch es kam anders… und eigentlich war ja das angepeilte Ziel nur finishen. Aber nun von vorne.
Als ich am 2. Juli morgens um 6:10 Uhr zum Gigathlon und der aufgehenden Sonne entgegen in den Zürichsee starteten, war das Ziel in Vicosoprano nicht nur geografisch, sondern auch gedanklich noch sehr weit weg. Es galt erstmals den Weg von Boie zu Boie zu finden, was wegen der blendenden Sonne eine echte Herausforderung war. Schwimmt man im Feld, ist das weniger schwierig, schwimmt man vorneweg, kann man sich nicht an den anderen Athleten orientieren. Das ist das Leid der schnellen Schwimmer, zu denen ich mich als ehemalige Wettkampfschwimmerin zähle. Nichtsdestotrotz genoss ich die 3km schwimmend im Wissen, dass es danach nur noch strenger wird. Mit einem guten Gefühl begab ich mich nach einem schnellen Wechsel vom Neoprenanzug in die Laufschuhe auf die 33km lange Laufstrecke – für mich die anspruchsvollste Teilstrecke des Wettkampfes. Schon nach wenigen Kilometern auf der Laustrecke zog eine Single Athletin mit zügigem Tempo an mir vorbei und übernahm die Führung im Rennen. Zu meiner Überraschung war es allerdings nicht die Titelverteidigerin. Aber diese würde bestimmt auch bald kommen. Dass sie mich erst kurz vor dem Wechsel aufs Velo in Wollerau überholte, stärkte mein Selbstvertrauen.
Ich wechselte also auf Position 3 aufs Velo und nahm die nächsten 143km und 2’600hm in Angriff. Ich startete gemächlich und hoffte auf guten Gruppen, um vom Windschatten anderer profitieren zu können und wurde nicht enttäuscht. Kurz vor Landquart, dem Zwischenverpflegungsort, überholten wir eine Single Athletinnen, was für mich nun Position 2 im Rennen bedeutete. Ich fühlte mich körperlich und mental noch immer sehr gut. Das sollte sich allerdings nach dem Aufstieg in die Lenzerheide, bei dem mir die Hitze etwas zusetzte, kurzzeitig ändern. Übelkeit zwang mich, von meinem Verpflegungsplan (alle 20-30 Minuten ein Gel oder ein Reiscake) abzuweichen und nur noch zu trinken. Das bekam mir erstaunlich gut und der befürchtete Energieeinbruch blieb aus. Nach knapp 10 Stunden im Rennen erreichte ich die Wechselzone in Savognin. Ich gebe zu, hier wäre ich am liebsten im bequemen Klappstuhl in der Wechselzone sitzen geblieben. Doch just in dem Moment, als ich da so sass, realisierte ich, dass die Titelverteidigerin, die ich auf der Velostrecke die ganze Zeit vor mir glaubte, noch gar nicht hier eingetroffen war. Ich musste sie schon in der Wechselzone in Wollerau unbemerkt überholt haben und ich war somit also die Führende im Rennen. Mein Wettkampffieber war sofort zurück, sodass ich gleich aufstand, mein Bike schnappte und die nächsten 41km unter die Räder nahm. Da war sie also wieder – die Energie, die mich schon bis nach Savognin brachte und offensichtlich noch lange nicht aufgebraucht war. Natürlich war es nicht nur das Wissen um meine top Platzierung, sondern auch der unglaubliche Support von meinem Team und vielen Freunden an der Strecke, die mich wieder fliegen liessen.
Die Bikestrecke hatte es in sich, das wusste ich, da ich die Strecke bereits einige Woche zuvor rekognosziert hatte. Der Anstieg bis Bivio kam mir auch dieses Mal wieder endlos lange vor. Und mein Magen wehrte sich noch immer gegen grosse Gel Happen. So musste ich ständig kleine Mengen nehmen, was viel verträglicher, aber etwas umständlich war. Und so kämpfte ich mich die 1’500hm bis auf den Septimerpass hoch. Oben angekommen, platzte der Freudeschrei aus mir heraus, gefolgt von ein paar Freudetränen. Jetzt gings nur noch runter und dann auf den abschliessenden Trailrun. Ich realisierte, dass mein Traum, diesen Gigathlon an einem Tag zu finishen greifbar wird. Die Übernachtungsmöglichkeit in Savognin, für den Fall, dass ich da nach der Kontrollzeit um 16 Uhr eintreffen würde, war organisiert. Ich wusste, dass es kein Leichtes sein würde, diese Kontrollzeit zu schaffen. Aber ich schaffte es sogar mit gut 20 Minuten Vorsprung.
Viele Single Athletinnen würde dies nach mir nicht mehr schaffen, das war mir klar (ich wusste da ja nicht, dass die Kontrollzeit spontan auf 17 Uhr angepasst wurde und schlussendlich 4 Athletinnen durchkamen). Und so getraute ich mich nun langsam sogar an einen Podestplatz zu denken. Für die Abfahrt war aber nochmals volle Konzentration gefordert. Die steinigen, steilen Kurven verlangten mir viel ab und zwangen mich teilweise vom Bike abzusteigen. Ich kam aber besser durch als erwartet und war voller Vorfreude auf die Gigathlonstimmung in Vicosoprano. Zwar war der Zielbogen nun schon in greifbarer Nähe, aber um diesen zu passieren galt es zuerst weitere 24km und 1’000hm zu Fuss zu absolvieren. Nach 13h Renndauer waren die bevorstehenden 3h eigentlich nur noch eine Kleinigkeit. Im Wissen, dass es eine wunderschöne Strecke ist, machte ich mich ohne lange Pause auf zum letzten Teilstück. Die Stimmung am Berg bei untergehender Sonne war bezaubernd schön. Die ersten paar steilen Kilometer gönnte ich es mir, zu marschieren, um dann oben auf der Höhe wieder mit genug Kräften über die schönen Wurzelwege zu rennen. Ja und wie gesagt, ich war mir sicher, dass ich hier irgendwann noch überholt würde, bis ich eben 14km vor dem Ziel von meinem bequemen Vorsprung erfuhr. Meine Beine waren zwar müde, aber ich war beflügelt von den Emotionen dieses Tages, vom Glück, das mir widerfuhr und von den Kräften, die offenbar in mir steckten. Unterdessen war die Sonne unter gegangen und ich rannte im Schein der Stirnlampe dem Ziel entgegen, wo mich Silvio mit Nora, meine Schwiegermutter und zwei meiner besten Freundinnen erwarteten und mit mir als Siegerin über die Ziellinie gingen. Was ich dabei empfand, ist unbeschreiblich!
Liebe Rahel wir gratulieren dir von Herzen